von Alexander Schmölz
Abstract
In den bestehenden Debatten und dem Wiener Manifest des digitalen Humanismus bleibt trotz der klaren und zukunftsweisenden Normativität vielfach offen, in welcher Denkrichtung der digitale Humanismus verortet ist und ob sich hinter diesem Begriff eine ein Paradigma und eine bestimmte Lehre vom Menschen verbirgt? Daraus folgen gegebenenfalls divergierende Grundorientierungen zum digitalen Humanismus und es ist offen, ob ein gemeinsames Narrativ des digitalen Humanismus notwendig ist oder gerade die Pluralität einen postmodernen digitalen Humanismus konstituiert? Diesen Fragen geht der hier vorgelegte Artikel nach, versucht eine Zuwendung zu zentralen Studien zum Humanismus und sucht damit eine Grundlegung und Verortung des digitalen Humanismus und dessen Wiener Manifest zu schaffen. Dazu werden in einem ersten Schritt die inneren Grundlagen des Humanismus dargelegt. Die grundlegende Frage nach der Conditio Humana und die grundlegende Methodologie des Humanismus werden in Abgrenzung zu anti-humanistischen Strömungen herausgearbeitet. In einem zweiten Schritt werden bestehende Grundlagen des digitalen Humanismus benannt. Zentrales Ergebnis ist, dass die Erfindung der Conditio Humana als rationales Denken und logisches Operieren zur Entmythologisierung der Natur eine Errungenschaft der Aufklärung war. Die Conditio Humana im digitalen Humanismus jedoch in Relation zur Maschine verändert wird, denn das Rationale am Denken und das logische Operieren wird der Maschine zugeschrieben. Kreativität und individuelles Sprechvermögen im digitalen Raum sind zwei neue Conditio Humana im digitalen Humanismus. Der postmoderne Mensch wird damit von der berechenbaren Rationalität entlastet ohne in die Mythologie zurückzufallen. Im Fazit werden Konsequenzen der Neuerfindung der Conditio Humana angedeutet und zentrale Problem- und Fragestellungen für eine wünschenswerte Zukunft des digitalen Humanismus identifiziert.